Welternährungstag 2025: Zukunft der Lebensmittelrettung – Versorgung Armutsbetroffener oder schleichende Kommerzialisierung?

Wien (OTS) – Noch vor zehn Jahren gab es mehr als genug Warenspenden,
die von
Sozialorganisationen gerettet und zur Versorgung Armutsbetroffener
weiterverteilt werden konnten. Heute stehen diese Organisationen vor
einer schwierigen Situation: Durch neue Vertriebswege, Abgabeformen
und Produktlinien sind die verfügbaren Warenspenden (vor allem aus
dem Handel) immer weniger geworden. Zusätzlich verschärfen neue,
oftmals kommerzielle Akteure, die für zunehmend Konkurrenz um die
Warenspenden sorgen, die Lage.

Die ökologische Perspektive ist für Andrea Schnattinger,
Präsidentin des Ökosozialen Forums Wien , klar – aber eben nur eine
Seite der Medaille: “ Je weniger Lebensmittel im Müll landen, desto
besser. Doch auch die soziale Dimension von Lebensmittelrettung darf
nicht übersehen werden „, betont Schnattinger und ergänzt: “ Die
Versorgung armutsbetroffener Menschen mit Lebensmitteln – und zwar
mit einem ausgewogenen Mix an Lebensmitteln – ist eine sehr wichtige
gesellschaftliche Aufgabe. Diese Aufgabe wird für
Sozialorganisationen leider zunehmend schwieriger. ”

„ Wir und viele unserer Partnerorganisationen spüren einen seit
Jahren zunehmenden Druck in der Akquise von Warenspenden.
Mittlerweile müssen wir von einer echten Knappheit sprechen ”, so
Alexandra Gruber, Geschäftsführerin Die Tafel Österreich . Ihre
Organisation widmet sich seit über 25 Jahren dem Sozialen Transfer –
also der Versorgung armutsbetroffener Menschen mit
Lebensmittelspenden. Der Begriff “Lebensmittelrettung” kommt von dort
und war über lange Zeit dem Sozialen Transfer vorbehalten, erklärt
sie. Mittlerweile sei er aber so populär geworden, dass er für alles
Mögliche verwendet werde – von Abverkaufsware bis zu neuen
Produktlinien. Diese Entwicklungen sind nicht grundsätzlich
problematisch, so Gruber, ergänzt aber: „ Wir kämpfen für den
Sozialen Transfer. Wo die Warenspenden dafür knapp werden, Geld dafür
verlangt wird oder konkurrenzorientierte Akteure anerkannten
Sozialorganisationen die Lebensmittel abwerben, da steht das Feld des
Sozialen Transfers an der Schwelle zu einer wirklich bedrohlichen
Situation. ”

Auch Oliver Löhlein, Geschäftsführer des Samariterbundes Wien und
ÖSF Wien Vizepräsident , bestätigt: „ Es fällt uns immer schwerer,
Lebensmittelspenden – speziell Obst und Gemüse sowie
Frischlebensmittel wie Joghurt oder Milch – aufzutreiben, um damit
unsere Kund:innen in den Sozialmärkten ausreichend zu versorgen. Aber
auch die Regale für Grundnahrungsmittel wie Öl, Reis oder Mehl
bleiben mittlerweile leider immer öfter leer „, berichtet Löhlein und
ergänzt: „ Die Knappheit bei Warenspenden hat sich in den letzten
Jahren zunehmend zugespitzt. Daher setzen wir uns für
Rahmenbedingungen ein, die für vertrauenswürdige Sozialorganisationen
die Voraussetzungen schaffen, um ihren Auftrag in der Bekämpfung von
Ernährungsarmut auch in Zukunft zu erfüllen. ” Das Feld sei seit
Jahrzehnten sozial und auf Kooperation ausgerichtet, um
Armutsbetroffene zu versorgen, so Löhlein.

“ Die Bemühungen anerkannter Sozialorganisationen um Lebensmittel
für die Versorgung armutsbetroffener Menschen reichen mittlerweile
weit über die Akquise von Warenspenden hinaus ”, weiß René Hartinger,
Geschäftsführer des Ökosozialen Forums Wien . Darunter fallen nicht
nur die mittlerweile gut bekannten “Sammeltage”. Der Samariterbund
Wien hat vergangenes Jahr sogar ein eigenes Urban Farming Projekt
gestartet, um selbst Obst zu ernten und eigenes Gemüse zu
produzieren, mit dem die Sozialmärkte und Sozialeinrichtungen
versorgt werden können. Partnerorganisationen wie Die Tafel
Österreich sorgen beispielsweise mit Obsternteaktionen im Wienerwald
für zusätzliche Vitamine in den Lieferkisten. Nichstdestotrotz sind
und bleiben die Organisationen des Sozialen Transfers aber auf
Lebensmittelspenden angewiesen, um ihren gesellschaftlichen Auftrag
erfüllen zu können, so Hartinger. Die Knappheit bei Warenspenden
werde auch durch die Ellenbogentechnik einzelner Akteure, die den
etablierten, vertrauenswürdigen Sozialorganisationen die Warenspenden
abzuwerben versuchen, verschärft. “ Leider sind diese Probleme
bislang noch weitgehend unbekannt – sowohl in der Öffentlichkeit als
auch bei Stakeholdern in Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Noch
wird nahezu Alles, was als ”Lebensmittelrettung“ bezeichnet wird,
fast automatisch positiv wahrgenommen. Hier braucht es mehr
Sensibilität, eine differenziertere Wahrnehmung sowie
Rahmenbedingungen, die das Feld des Sozialen Transfers für die
Zukunft sichern und gegen schleichende Kommerzialisierung und unfaire
Wettbewerber schützen „, so Hartinger abschließend.

Links:

– Ökosoziales Forum Wien

– Die Tafel Österreich

– Samariterbund Wien