Novemberpogrome 1938: „Menschen & Mächte“-Neuproduktion „Alter Hass, neuer Wahn – Antisemitismus nach 1945“

Wien (OTS) – 1945 ist Österreich wieder frei, fast alle
österreichischen Jüdinnen
und Juden aber entweder ermordet oder vertrieben. In einem Land fast
ohne Juden bleibt der Antisemitismus ein zentrales und
wirkungsmächtiges Vorurteil in weiten Teilen der österreichischen
Gesellschaft – vom Umgang mit der NS-Vergangenheit bis hin zu
globalen Krisen der Gegenwart. Im Rahmen des ORF-Programmschwerpunkts
zum Gedenken an die Novemberpogrome in der Nacht vom 9. auf den 10.
November 1938 (Details unter presse.ORF.at) analysiert die „Menschen
& Mächte“-Neuproduktion „Alter Hass, neuer Wahn – Antisemitismus nach
1945“ von Robert Gokl am Sonntag, dem 9. November 2025, um 23.05 Uhr
in ORF 2 und auf ORF ON die Ursachen und Folgen des Antisemitismus in
der Zweiten Republik.

„Der Antisemitismus ist ein Phänomen, das durch die Geschichte
laufend sein Gesicht verändert hat. Er ist ungeheuer flexibel.“ Der
Historiker Michael Schiestl begleitete als Leiter des Stadtmuseums
von Judenburg seit den achtziger Jahren die Aufarbeitung der
Judenburger Geschichte. „Allein der Name Judenburg wäre verpflichtend
gewesen, dass man unsere Überlebenden des Holocaust wieder einlädt
nach Judenburg, dass man zumindest eine Geste setzt. Das hat es nie
geben.“

„Der Antisemitismus hat zur Tradition gehört. Ich bin mit den
antisemitischen Sprüchl’n meiner Großmutter aufgewachsen.“ Helmut
Butterweck erlebte mit, wie auch nach 1945 die Verachtung von und der
Hass auf Juden zum Alltag gehört. Gemeinsam mit vielen
Österreicherinnen und Österreichern versucht er, dagegen anzukämpfen:
„Dass sich ein Verfolgter gegen seine Verfolger wendet, dass ist
selbstverständlich. Aber es müssen sich die anderen für die Juden
einsetzen, die anderen müssen auf die Straße gehen.“

„Alle in Österreich haben Kontakt mit Antisemitismus gemacht. Das
geht von Beschimpfungen oder NS-Vokabular bis hin zu Klischees,
Stereotypen, Anschuldigungen gegen Jüdinnen und Juden.“ Historikerin
Isolde Vogel sieht nicht nur den Alltag, sondern auch die Politik der
Zweiten Republik von antisemitischen Ereignissen durchzogen: von der
mangelnden Aufarbeitung der NS-Verbrechen über die Borodajkewycz-
Affäre, die Kreisky-Peter-Wiesenthal-Affäre, die Waldheim-Affäre …

Heute entstehen „moderne“ Formen des Hasses auf Juden, in denen sich
die Hassreden von Alt- und Neo-Nazis in der Hasskultur des Internets
wiederfinden, mit „importiertem“ Antisemitismus mischen und mit durch
Corona neu befeuerten antisemitischen Verschwörungserzählungen.
Andreas Peham, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands:
„Wir haben heute einen globalen Antisemitismus im Internet. Die
sozialen Medien verursachen ihn nicht, aber sie befeuern ihn enorm.“

Die Ereignisse in Israel und im Gazastreifen nach dem Hamas-Angriff
im Oktober 2023 haben zu neuen Debatten rund um Antisemitismus
geführt. Isolde Vogel: „In Österreich wird immer wieder auch eine
Abwehr von historischer Schuld, eine Täter-Opfer-Umkehr betrieben,
indem Israel etwas vorgeworfen wird, was vielleicht die eigenen
Großeltern getan haben.“

„Menschen & Mächte“ analysiert die gravierenden Folgen
antisemitischer Ressentiments in der österreichischen Bevölkerung und
zeigt auch auf, wo gezielte Maßnahmen ansetzen müssten – im Bereich
der Bildung ebenso wie im Rahmen der Gesetzgebung.