Wien (OTS) – Am Sonntag, den 23. November 2025 wurde die Autorin Eva
Menasse in
Krems an der Donau mit dem Ehrenpreis des Österreichischen
Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln 2025 geehrt.
Die Verleihung erfolgte als abschließender Höhepunkt der
Europäischen Literaturtage 2025 in Krems/Stein. Benedikt Föger, der
Präsident des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels,
überreichte die höchste Auszeichnung, die der österreichische
Buchhandel zu vergeben hat.
Der Ehrenpreis wird seit 1990 an Personen vergeben, die sich in
ihrem Werk und durch ihr Engagement für Toleranz in Bezug auf
sprachliche sowie kulturelle Vielfalt in herausragender Art und Weise
eingesetzt haben und somit einen Beitrag zu einem friedlichen
Miteinander in Europa geleistet haben. Er ist mit 10.000 Euro dotiert
und wird vom Hauptverband des Österreichischen Buchhandels
ausgerichtet. Zuletzt wurde 2024 David Grossman mit dem Ehrenpreis
ausgezeichnet.
„Eva Menasse steht mit ihrem Einsatz für Meinungsfreiheit und
offenen Diskurs und mit ihrem kreativen Schaffen konsequent und
eindrucksvoll für den kritischen Blick, für Aufklärung und aktives
gesellschaftliches Engagement. Mit der Verleihung des Ehrenpreises
für Toleranz in Denken und Handeln ehrt der Österreichische
Buchhandel eine herausragende Schriftstellerin und eine wichtige
öffentliche Intellektuelle. In Zeiten wachsender Polarisierung,
politischer Vereinfachung und aggressiver Diskurse erhebt Eva Menasse
ihre unverkennbare Stimme – differenziert, unbequem und präzise“, so
HVB-Präsident Benedikt Föger bei der Übergabe des Preises an Eva
Menasse.
In seiner Laudatio fand der Politologe und Osteuropa-Experte Ivan
Krastev eindringliche Worte für Eva Menasses literarisches und
gesellschaftliches Engagement: „Ihre Stimme ist zutiefst persönlich.
Für sie ist alles, was nicht Biografie ist, nichts. Ihre Romane
„Vienna“ und „Dunkelblum“ sind archäologische, keine pädagogischen
Werke – komplex, verstörend und tröstlich zugleich. Sie stellen nicht
nur neue und vergessene Stimmen der Vergangenheit vor, sie machen
auch das Schweigen der Vergangenheit hörbar. Ihre Stimme ist
moralisch bestimmt, aber niemals moralisierend, und ihr Verhältnis
zur österreichischen Geschichte ist ein intimes. Beim Lesen ihrer
Romane, Erzählungen und Essays fühle ich mich oft an den großen
italienischen Historiker Carlo Ginzburg erinnert, der einmal
festhielt, das Land, zu dem man gehört, sei nicht das, das man liebt,
sondern jenes, für das man sich schämt. […] Man kann seinem
Vaterland moralisch nicht entkommen. Man kann auswandern, aber man
kann der Verantwortung nicht entfliehen. Evas Stimme ist kraftvoll
und wird sogar von denen gehört, die wie ich kein Deutsch sprechen
oder lesen. Sie bezeugt, dass wir Europäer Träume teilen, aber unsere
Albträume streng national bleiben.“
Krastev würdigte besonders Menasses Engagement und ihren
differenzierten Beitrag zu zentralen aktuellen Debatten – vom
Ukrainekrieg und dem Nahost-Konflikt bis hin zu Fragen der
Identitätspolitik und Cancel Culture.
In ihrer Dankesrede betonte Eva Menasse die zentrale Bedeutung
der Meinungsfreiheit in Zeiten der Polarisierung: „Mit größtmöglicher
Demut und Dankbarkeit nehme ich in diesen politisch schweren, ja
verstörenden Zeiten diesen Preis an, den Sie mir für Toleranz in
Denken und Handeln zugesprochen haben. Ich glaube, wir alle müssen
sorgfältig die Geschichten, denen wir täglich begegnen und die auf
den ersten Blick so moralisch eindeutig aussehen, so lange drehen und
wenden, bis wir wenigstens eine winzige Veränderung von Licht und
Schatten entdeckt haben, eine, die nicht unseren festgefügten
Vorannahmen entspricht.“
Die Journalistin Katja Gasser moderierte das Gespräch. Die
musikalische Umrahmung erfolgte durch Carles Muñoz Camarero und Paul
Schuberth.
Über Eva Menasse
Eva Menasse, geboren 1970 in Wien, lebt seit 25 Jahren in Berlin.
Sie debütierte im Jahr 2005 mit dem Familienroman „Vienna“. Es
folgten Romane und Erzählungen („Lässliche Todsünden“,
„Quasikristalle“, „Tiere für Fortgeschrittene“), die vielfach
ausgezeichnet und übersetzt wurden. Preise (Auswahl): Heinrich-Böll-
Preis, Friedrich-Hölderlin-Preis, Jonathan-Swift-Preis,
Österreichischer Buchpreis, Bruno-Kreisky-Preis, Jakob-Wassermann-
Preis und das Villa-Massimo-Stipendium in Rom. Eva Menasse betätigt
sich zunehmend auch als Essayistin und erhielt dafür 2019 den Ludwig-
Börne-Preis. Ihr letzter Roman „Dunkelblum“ war ein Bestseller und
wurde in 9 Sprachen übersetzt. Zuletzt erschien der Buchessay „Alles
und nichts sagen. Zum Zustand der Debatte in der Digitalmoderne“.
Ein Foto der Verleihung finden Sie hier zur Verwendung für die
Berichterstattung unter der Angabe des Copyrights (c) Sascha Osaka /
Europäische Literaturtage.